Kurt Eisner – Vater des Freistaates Bayern

Am 21. Februar jährte sich zum 100sten mal der feige und hinterhältige Mord an Kurt Eisner, erster Ministerpräsident des Freistaates Bayern, durch seinen Mörder, dem reaktionären, völkisch-nationalistisch gesinnten Studenten und Leutnant im Königlichen Bayerischen Infanterie-Leib-Regiment Anton Graf von Arco auf Valley. Kurt Eisner wurde 1867 in Berlin geboren, studierte Philosophie und Germanistik, arbeitete als Journalist u.a. in Berlin, Nürnberg und kam 1910 nach München als Mitarbeiter der „Münchner Post“. Seine Beweggründe nach München zu kommen, erläuterte er 1918: „dass die Leute dort viel freiheitlicher gesinnt seien, weil ihnen die preußische 'Überdisziplin'fremd sei…“ Bald schon nach Ausbruch des ersten Weltkrieges wurde er zum entschiedenen Gegner des Krieges und zum radikalen Pazifisten. Neben Clara Zetkin, Albert Einstein und anderen war Eisner Mitglied im „Bund neues Vaterland“, in dem sich Pazifisten unterschiedlicher politischer Weltanschauungen sammelten. 1917 spaltete sich der Antikriegs-Flügel der SPD als Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) von der Mutterpartei ab. In Bayern wird Eisner Vorsitzender der USPD, die für die Aufhebung der Zensur, für uneingeschränktes Vereins-, Versammlungs- und Koalitionsrecht, den Achtstundentag und das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht eintritt. Im November 1918 kam es im ganzen Reich zur Revolution und Aufständen gegen die herrschende monarchistische Gesellschaftsordnung. Am Nachmittag des 7. November 1918 versammelten sich auf der Theresienwiese zwischen 100 000 und 200 000 Menschen zu einer Friedensdemonstration, auf der eine Resolution angenommen wurde, die die Grundideen des sozialdemokratischen Wahlprogramms aufnahm: Abdankung des Kaisers, Annahme der alliierten Waffenstillstandsbedingungen, Demokratisierung Deutschlands, Einführung des Achtstundentages… Am Abend wurden im Mathäser-Bräu die Arbeiter- und Soldatenräte konstituiert, und gegen Mitternacht kam es zur offiziellen Gründung des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates. Von den Räten wird Eisner zum ersten Ministerpräsident der neuen bayerischen Republik gewählt. Das Kabinett besteht aus Mitgliedern der SPD (4 Minister), USPD (2 Minister) und 2 parteilosen Minister. Noch in dieser Nacht der ersten Sitzung der Arbeiter- und Soldatenräte rief Kurt Eisner die Republik Bayern als Freistaat aus (sinngemäß 'frei von Monarchie') und erklärte das herrschende Königshaus der Wittelsbacher für abgesetzt.

Kurt Eisner war der Mann der Stunde. Ein Sozialist mit hohen Idealen. Er glaubte, dass eine Demokratisierung der Gesellschaft dem Guten im Menschen zum Durchbruch verhelfen müsse. In Eisners Regierungsprogramm hieß es (16.11.1918): „Die revolutionäre Regierung des Volksstaates Bayern ist zu dem großen Versuch entschlossen, die Umwandlung des alten Elends in die neue Zeit in vollkommener verbürgter Freiheit und sittlicher Achtung vor den menschlichen Empfindungen durchzuführen und damit ein Vorbild zu geben für die Möglichkeiten einer Politik, die auf Vertrauen zu dem Geist der Massen, auf der festen und klaren Einsicht in die Notwendigkeiten und Mittel der Entwicklung auf der freimütigen Offenheit und Wahrhaftigkeit beruht.“ Die Räte sieht Eisner als Provisorium bis zur angesetzten Landtagswahl. Zitat vom 5.12.1918: „Der Arbeiterrat hat nur beratende und kontrollierende Tätigkeit, keinerlei Gesetzgebung, das wäre Bolschewismus. … Das Parlament kann nicht reaktionär regieren schon mit Rücksicht auf die Arbeiter in München. Das soll aber seine Souveränität nicht einschränken. Ich bin gegen die Diktatur der Räte und für die Souveränität des Parlaments.“ In Bayern führte er den Achtstundentag, das Frauenwahlrecht und die Abschaffung der kirchlichen Schulaufsicht ein. Damit zieht Eisner u.a. den Zorn der katholischen Kirche und des konservativen Bürgertums auf sich. Eisner übergab für bessere Friedensbedingungen für Bayern die geheimen Gesandtschaftsberichte der monarchistischen bayerischen Regierung an die Alliierten. Diese bildeten eine Grundlage für die alliierten Sieger, die Kriegsschuld Deutschlands zu beweisen. Dadurch machte sich Eisner die führenden Militärs endgültig zum Feind und wurde von reichspatriotischen und nationalistisch gesinnten Bürgern als Verräter angesehen. Eisners Überzeugung entsprach es, die Freiheit der Presse vollkommen zu respektieren mit dem Ergebnis, dass er sehr bald die gesamte veröffentlichte Meinung gegen sich hatte. Es gab eine regelrechte „Presse-Hetzkampagne“ gegen Eisner, sowohl in der bürgerlichen Presse, wie auch in sozialdemokratischen und kommunistischen Zeitungen. Er konnte kein Wort sagen oder schreiben, das nicht durch die Presse in skrupellosester Weise entstellt wurde. Auch für Vorurteile war er eine ideale Zielscheibe seiner Berliner Herkunft, seines Intellekts wegen. Mehr noch verübelte man ihm seine jüdische Herkunft. Bei den ersten bayerischen Landtagswahlen am 12.1.1919. kam die USPD um Eisner nur auf 2,5%, die SPD auf 33% die konservative Bayerische Volkspartei (BVP) auf 35% der Stimmen. BVP hatten zusammen mit rechtsnationalistischen Kreisen eine antisemitische Hetzkampagne gegen Eisner, in ihren Augen gegen die „jüdisch-bolschewistische Revolution“ im Vorfeld der Landtagswahlen geführt. Am 21. Februar 1919 befand sich Kurt Eisner auf dem Weg zur konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags in die Prannerstraße (heute Kardinal-Faulhaber-Straße), um dort den Rücktritt seiner Regierung zu erklären, als er heimtückisch und hinterrücks durch zwei Schüsse in Kopf und Brust erschossen wurde. Welch reaktionäre, nationalistische und antidemokratische Gesinnung allgemein herrschte, kommt auch in der Bewertung des Mordes durch die Justiz zum Ausdruck. In der Gerichtverhandlung im Januar 1920 bescheinigte der Staatsanwalt dem Grafen Arco: „Wahre, tiefe innerlich wurzelnde Vaterlandsliebe war es, die den Angeklagten zu seiner Tat veranlasste, und ich stehe nicht an hinzuzufügen: Wäre unsere Jugend insgesamt von solch glühender Vaterlandsliebe beseelt, wir hätten Hoffnung, mit froher Zuversicht der Zukunft unseres Vaterlandes entgegenzusehen.“ Und der Richter fügte in seiner Urteilsbegründung hinzu: „Von einer Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte konnte natürlich keine Rede sein, weil die Handlungsweise des jungen politisch unmündigen Mannes nicht niedriger Gesinnung, sondern der glühendsten Liebe zu seinem Volke und Vaterland entsprang und ein Ausfluss seines Draufgängertums und der in weiten Volkskreisen herrschenden Empörung gegen Eisner war…“ Mehr Verständnis und menschliche Wärme sind wohl selten einem Mörder vor Gericht entgegengebracht worden! Da überraschte es kaum, dass schon am Tag darauf der Justizminister den notgedrungen zum Tode verurteilten Graf Arco zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe begnadigte, die wenig später auf 15 und schließlich 4 Jahre reduziert wurde. Außerdem richtete man für Arco eine eigene besonders angenehme Haftanstalt auf der Festung Landsberg ein, dieselbe Festung, auf der später Adolf Hitler seine Haftstrafe absaß.

Die Beerdigung Kurt Eisners auf dem Ostfriedhof am 26. Februar 1919 wurde zur größten politischen Kundgebung, die München je gesehen hatte: Hunderttausende gaben ihm das letzte Geleit.

Eisners Amtszeit dauerte knapp 100 Tage - weit reichende 100 Tage für Bayern.

Beschämend ist, dass die folgenden bayerischen Regierungen kein würdiges Denkmal für Kurt Eisner geschaffen haben (oder wollten?). Lediglich eine einfache Gußplatte im Gehsteig weist auf die Stelle hin, wo Kurt Eisner in der Prannerstraße (heute Kardinal-Faulhaber-Straße) ermordet wurde. Erst im Juni 2008 entschied der Münchner Stadtrat, Kurt Eisner ein würdigeres Denkmal zu setzen – und nach einem Künstler-Wettbewerb übergab der Oberbürgermeister Christian Ude am 30. Mai 2011 das Denkmal am Oberanger der Öffentlichkeit.

Wären vor 100 Jahren und später die Menschen in ihrer Mehrheit den Zielen und Idealen gefolgt, die Männer wie Kurt Eisner vertraten, wäre die Geschichte des 20. Jahrhunderts anders verlaufen. Viel Elend, Leid, Verbrechen und Zerstörung wären Deutschland und der Welt erspart geblieben.

Quellen: München – Die Geschichte einer Stadt; Der Isarvorstädter (Stadtteil-Zeitung); Fotografie und Revolution – München 1918/19 J. S.